Wie werde ich mental stark durch Sport? - Interview mit Dr. Lena Kluge

Wie werde ich mental stark durch Sport? - Interview mit Dr. Lena Kluge

Beitrag von: Frederike

“I never needed any external forces to motivate me.” – Kobe Bryant

Motivation, Zielsetzung, Fokus, Disziplin – unser Mental Game. Das Mindset, das wir jeden Tag ins alltägliche Training bringen, ist entscheidend für unsere sportliche Leistungsfähigkeit. Doch was tust du, wenn die Motivation ausbleibt? Wenn der Fokus nicht zu finden ist und die Ziele unerreichbar wirken? Oder du dich fragst, warum du dich schon wieder durch ein hartes Workout kämpfen solltest, wenn du dich auch einfach mit einem Eislatte in die Sonne legen könntest? Um diese Situationen vorzubeugen ist es wichtig, dass wir verstehen, dass physisches Training allein nicht ausreicht. Um langfristig am Ball zu bleiben, müssen wir an unserer inneren Haltung arbeiten, um uns mentalen Herausforderungen besser stellen zu können und unsere Ziele schneller zu erreichen. Die Sportpsychologie widmet sich diesem mentalen Training und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Doch worum geht’s in der Sportpsychologie überhaupt? Und was kannst du davon lernen? Wir haben bei Dr. Lena Kluge, Sportpsychologin und systemische Beraterin, nachgefragt: 

Frederike: Lena, was macht überhaupt eine Sportpsychologin?

Lena: Viele verbinden mit der Sportpsychologie das Lösen von Problemfällen und sehen uns Psychologen als Brandlöscher, wenn es mal nicht so läuft. Doch bei uns geht es um mehr als das. Es geht um Leistungsoptimierung für alle Sportler:innen. Um mentale Fitness sozusagen. Wir verbinden Körper und Geist und trainieren psychische Fähigkeiten. 

Frederike: Du hast gerade von Leistungsoptimierung gesprochen, würdest du sagen die Sportpsychologie richtet sich nur an Leistungssportler:innen? 

Lena: Nein definitiv nicht! Im Endeffekt ist es für alle gedacht, die Lust haben sich weiterzuentwickeln. Der Trend wächst auch im Hobby- und Amateursportbereich bei Sportlern:innen die z.B. auf einen bestimmten Wettkampf hinarbeiten, wie einen Marathon, sich als Team oder persönlich weiterentwickeln wollen. Man trifft also eine große Bandbreite unterschiedlichster Personen in meiner Praxis. Dabei wird sowohl präventiv, als auch problemlösungsorientiert gearbeitet. Gerade in der Pandemie standen Motivationsprobleme immer wieder im Vordergrund, aufgrund wegfallender Wettbewerbe. Aber auch der allgemeine Umgang mit Herausforderung, wie Konzentrationsprobleme, Rückkehr nach Verletzungen oder das Lösen von Ängsten und Blockaden ist Teil meiner Tätigkeit.  

Frederike: In meinem letzten Blogbeitrag habe ich unter anderem über die Notwendigkeit von Zielen geschrieben. Wie wichtig ist es sich als Sportler:in spezifische Ziele zu setzen?

Lena: Ziele geben uns eine Form der Orientierung. Wir neigen jedoch oft dazu nur auf die Leistungsziele zu schauen. Zum Beispiel auf Zeiten die wir erreichen wollen, Gewichte die wir bewegen möchten oder Platzierungen auf Wettkämpfen. Für unsere Motivation sind aber auch Lernziele von Bedeutung, die sich eher auf die Weiterentwicklung konzentrieren. Sich also zu fragen: Wie will ich mich entwickeln? Was sind meine Zwischenschritte auf dem Weg zu meinem Leistungsziel? Woran muss ich arbeiten, um meine Ziele zu erreichen? Wir schauen bei Lernzielen eher auf die Entwicklung von Fähigkeiten. Wir können unsere großen Leistungs- und Lernziele in kleinere Schritte runterbrechen, die wir dann quasi checklistenmäßig abarbeiten, um die Motivation hochzuhalten. 

Frederike: Wie schaffe ich es meine Ziele dann auch zu erreichen? Jeder von uns kennt ihn vermutlich, den inneren Schweinehund, der uns dann doch mal dazu verleitet unsere guten Vorsätze über Board zu werfen. Aus 5x die Woche Training werden plötzlich 2x und in die ausgewogene Ernährung schleicht sich dann doch immer öfter wieder das Take-Away Essen mit ein. Wie bleibt man langfristig am Ball? 

Lena: Das Thema ist sehr komplex. Die SMART Philosophie hat hier auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung. Wie realistisch sind die Ziele, die ich mir gesetzt habe? Wenn wir uns unrealistische Ziele setzen, steigt die Frustration. Und ich arbeite gerne mit der sogenannten Rückfallprävention. Milde mit sich zu sein, wenn man Rückschläge erlebt und diese Rückschläge mit einzuplanen. Hier sind wir auch schnell im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Wie gehe ich mit Niederlagen um? Gerade diesen Prozess zu analysieren. Wenn aus 5x die Woche plötzlich 2x werden, sollte man sich die Frage stellen, ob 5x vielleicht ein paar Mal zu viel waren. 

Frederike: Was können wir aus den Rückschlägen dann lernen?

Lena: Wir können unsere Rückschläge als Feedbackprozess nutzen, was super wertvoll ist, um zu gucken, was mich davon abgehalten oder was mich gehindert hat mein Ziel zu erreichen. Was muss ich verändern, um mir wieder realistische Ziele zu setzen? Hier kommt auch das Thema intrinsische Motivation, also die Motivation aus eigenem Antrieb ins Spiel. Wenn du allerdings vor einer Übung im CrossFit stehst, die dir gar nicht liegt und bei der die intrinsische Motivation gen null strebt, darfst du gerne mal die extrinsische Motivation, also äußere Anreize nutzen und zum Beispiel mit einem Belohnungsplan arbeiten. 

Frederike: Was muss ich mir unter einem Belohnungsplan vorstellen?

Lena: Ein Belohnungsplan  kann uns helfen, wenn die intrinsische Motivation mal fehlt. Sich eine Belohnung zu gönnen, wenn man eine Trainingseinheit durchgestanden hat, durch die man sich quälen musste. Das kann ein Restday sein, Zeit in der Sonne, ein Kinobesuch… Und sich wieder die Frage stellen, warum habe ich überhaupt mit dem Sport angefangen? Die wenigsten fangen etwas an, worauf sie insgeheim keine Lust haben. Wir fangen mit Sport an weil wir positive Emotionen damit assoziieren. Dafür brauchen wir auch Erfolgserlebnisse. Selbst das gute Gefühl, dass sich für viele von uns nach dem Sport einstellt, kann eine Form der Belohnung darstellen. Du hast vielleicht keine Lust auf deine Trainingseinheit aber du weißt, die Dusche danach ist super und du fühlst dich besser. 

Frederike: Und wenn man dennoch in einem Motivationstief landet, wie findet man den Weg zurück?

Lena: Ich finde es ist auch mal erlaubt eine Pause zu machen oder mal was Neues auszuprobieren. Und sich in die Analyse zu begeben. Du hattest vorher Lust und hast jetzt keine mehr, woran liegt das? Manchmal kann Abstand helfen, um das zu erkennen. Wir sind dann auch schnell wieder bei der Zielsetzung. Stell dir die Frage, wo steh ich gerade? Wo möchte ich hin? Was möchte ich noch ausprobieren? Und du musst dir das System anschauen, indem du dich bewegst. Die Leute um dich herum. Vielleicht hilft es mit neuen Leuten zu trainieren, die einen inspirieren und pushen, als kleine Motivationshilfe. 

Frederike: Wir haben jetzt viel über Ziele und Motivation gesprochen, beides Faktoren, die wir zu einem gewissen Grad beeinflussen können. Es gibt jedoch auch Dinge, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Soziale, gesundheitliche oder berufliche Umstände, die sich verändern können. Du hattest vorhin von Rückfallprävention gesprochen. Wie erarbeitet man sich Strategien, um mit Rückschlägen besser umgehen zu können? 

Lena: Das ist natürlich sehr individuell und abhängig vom Problem. Motivation, Konzentration, Verletzungen… Ich habe viele Sportler:innen, die nach Verletzungen physisch wieder fit sind aber dennoch nicht zurück in den Sport finden. Da sind dann Ängste mit im Spiel. Manchmal muss man sich richtig zurückkämpfen. Selbstvertrauen finden. Ein Mindset entwickeln, dass positiv bleibt und Rückschläge als Herausforderung sieht. Zu sagen: Okay es klappt nicht mehr, Challenge accepted! Wie kann ich mich dennoch weiterentwickeln? Woran kann ich weiterhin arbeiten? 

Frederike: Muss man hier auch Ziele neu ausrichten? Wie sieht man dieses Nicht – Erreichen eines Zieles dann nicht als Versagen an? Wie orientiert man sich um? 

Lena: Akzeptanz. Du entwickelst eine innere Haltung, in der du die Situation akzeptierst. Druck erzeugt Gegendruck. Wenn du immer gegen die Situation innerlich ankämpfst, dann wird es selten besser. Wir müssen einen Abschluss finden. Ich arbeite dort sogar manchmal mit Abschiedsritualen. Es ist eine Form der Persönlichkeitsentwicklung zukunfts- und ressourcenorientiert zu arbeiten. Was sind die Ressourcen, die ich jetzt habe? Was ist die Zukunft, in die ich hinwill? 

Frederike: Also hilft uns Sport, abgesehen von verbesserten physischen Fähigkeiten, auch bei unserer Persönlichkeitsentwicklung?

Lena: Total. Sport hat unheimlich viel mit Kompetenzentwicklung für das Leben zu tun. Wie entwickle ich mich sonst weiter, wenn ich mich noch nie gemessen oder verglichen habe? Noch nie im Team gearbeitet oder Grenzerfahrungen körperlich und mental gemacht habe? In dieser Hinsicht bietet Sport eine tolle Möglichkeit sich weiter zu entwickeln. Es formt unsere Persönlichkeit. Und es verbindet uns miteinander. Viele entwickeln durch ihren Sport lebenslange Freundschaften. 

Frederike: Vielen Dank für das Interview Lena! 

Wir halten fest: Die Möglichkeiten an unserer mentalen Leistungsfähigkeit zu arbeiten sind vielfältig. Sportpsychologen können uns helfen das mentale Training zielgerichtet auf die nächste Ebene zu bringen. Aber auch ohne sportpsychologische Betreuung lohnt es sich den Blick immer mal wieder nach innen zu richten. Wo stehst du gerade? Wo willst du hin? Was hält dich davon ab deine Ziele zu erreichen? Wenn wir ein flexibles Mindset entwickeln, sind wir gewappnet für jegliche Formen von Herausforderungen und auch Rückschlägen, im Sport aber auch im Alltag. Und darum geht es uns schließlich beim CrossFit. Also, worauf wartest du noch? 

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